19. PAUL-HOFHAIMER-TAGE
vom 3. bis 12. Juni 2005


P A R A D I E S   1




Religionswissenschaftlich:
Paradies, altpersisch: pairidaeza ursprünglicher Name für Umwallung für persische Königsgärten, bezeichnet im engeren Sinn die mythisch geprägte Vorstellung eines Ortes höchster Seligkeit; wird besonders in vorderasiatischen Religionen mit der Anschauung eines Gartens (Eden) assoziiert. Paradies im weiteren Sinn ist die generelle Bezeichnung für mythische und spirituelle Auffassungen von einem ursprünglich endzeitlichen Ort oder Zustand, die mit Hilfe verschiedenster Metaphern Idealvorstelllungen von Schönheit und Harmonie sowie menschlichen Glücksverlangen und Sehnsucht nach Erlösung und Unsterblichkeit artikulieren.
Paradies - Erzählungen sind für die meisten Völker und Kulturen belegt, zeigen sich aber in den einzelnen religiösen Traditionen als sehr uneinheitlich und wandelbar.

Biblisch-theologisch:
Altes und Neues Testament:
Weder begrifflich noch sachlich lässt sich eine einheitliche Paradies - Vorstellung ausmachen. Der auf den altpersischen Begriff pairidaeza zurückgehende Begriff bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung das Umzäunte, den Park oder Garten. Erst durch die griech. Transkription des hebr. gan (Garten) in Gottesgarten bzw. Garten Eden, bekommt das Paradies eine religiöse Bedeutung.
Judentum:
In der frühjüdischen Literatur finden sich die Paradiesvorstellungen aus der Spätzeit des AT aufgenommen und fortgeführt. Das Paradies als himmlischer Ort, oder als irdischer Ort der Endzeit, oder es wird eng mit dem Schicksal Jerusalems verbunden, das Paradies als Wohnstätte Gottes.

Systematisch-theologisch:
Der systematische Aspekt bezeichnet das Paradies als den Urstand des ersterschaffenen Menschen. Die heile Schöpfung des Anfangs, das Weltverhältnis des Menschen, war ein von der Gnade erleuchtetes. Der Urstand als gnadenhafter Anfang des Menschen in der ungebrochenen Einheit mit Gott.

Frömmigkeitsgeschichtlich:
Allen Paradiesvorstellungen ist gemeinsam, dass sie eine besondere Nähe Gottes und umfassendes Heil zum Ausdruck bringen. Das Bild vom fruchtbaren Garten als schöpferischer Ursprungsort prägt entsprechend die Erwartungen für die geheilte Zukunft. Das Paradies als Symbol für die reine Seele, sowie für ein Leben in Gebet und Kontemplation. Das Paradies auf Erden: die Berufung des Menschen als Mitarbeiter Gottes.

Ikonographie:
Hauptquelle der Bilddarstellungen sind die Schilderungen des urzeitlichen Gartens Eden aus dem Schöpfungsbericht (Gen 2) und der endzeitlichen Himmelsvision (Off 21-22). So festigte sich in der Kunst auch das Bild des Paradieses als Gartenlandschaft neben anderen Metaphern wie Stadt, Himmelssphären und Sternengewölbe. Heidnisch-antike, frühchristl. Jenseitsvorstellungen: Bäume, Blumen, Vögel, Wasser (Katakombenmalerei); Kunst des Mittelalters: die Majestät und der himml. Hofstaat (Giotto), Gerichtsdarstellungen, das Gartenbild in der Gegenüberstellung zur Schreckensvision Hölle; das profane Gegenstück dazu ist der höfische „Liebesgarten“ (Botticelli)

Architektur:
Als Paradies (frz. parvis, engl. galilee) wurde der Vorhof bzw. das Atrium vor Kirchen bezeichnet. Es war mit Mauern und Säulengang umfriedet, besaß einen Brunnen in der Mitte, war oft mit Bäumen bepflanzt und erinnerte so an das biblische Paradies. Das Atrium als Zone des Friedens diente bereits im 4.Jhdt. als Asyl.

aus: Lexikon für Theologie und Kirche; begründet von Michael Buchberger; dritte, völlig neu bearbeitete Auflage; herausgegeben von Walter Kasper, Herder 1998 

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