Religionswissenschaftlich:
Paradies, altpersisch: pairidaeza ursprünglicher Name für
Umwallung für persische Königsgärten, bezeichnet im engeren Sinn
die mythisch geprägte Vorstellung eines Ortes höchster Seligkeit;
wird besonders in vorderasiatischen Religionen mit der Anschauung
eines Gartens (Eden) assoziiert. Paradies im weiteren Sinn ist die
generelle Bezeichnung für mythische und spirituelle Auffassungen von
einem ursprünglich endzeitlichen Ort oder Zustand, die mit Hilfe
verschiedenster Metaphern Idealvorstelllungen von Schönheit und
Harmonie sowie menschlichen Glücksverlangen und Sehnsucht nach Erlösung
und Unsterblichkeit artikulieren.
Paradies - Erzählungen sind für die meisten Völker und Kulturen
belegt, zeigen sich aber in den einzelnen religiösen Traditionen als
sehr uneinheitlich und wandelbar.
Biblisch-theologisch:
Altes und Neues Testament:
Weder begrifflich noch sachlich lässt sich eine einheitliche Paradies
- Vorstellung ausmachen. Der auf den altpersischen Begriff pairidaeza
zurückgehende Begriff bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung
das Umzäunte, den Park oder Garten. Erst durch die griech.
Transkription des hebr. gan (Garten) in Gottesgarten bzw.
Garten Eden, bekommt das Paradies eine religiöse Bedeutung.
Judentum:
In der frühjüdischen Literatur finden sich die Paradiesvorstellungen
aus der Spätzeit des AT aufgenommen und fortgeführt. Das Paradies
als himmlischer Ort, oder als irdischer Ort der Endzeit, oder es wird
eng mit dem Schicksal Jerusalems verbunden, das Paradies als Wohnstätte
Gottes.
Systematisch-theologisch:
Der systematische Aspekt bezeichnet das Paradies als den Urstand des
ersterschaffenen Menschen. Die heile Schöpfung des Anfangs, das
Weltverhältnis des Menschen, war ein von der Gnade erleuchtetes. Der
Urstand als gnadenhafter Anfang des Menschen in der ungebrochenen
Einheit mit Gott.
Frömmigkeitsgeschichtlich:
Allen Paradiesvorstellungen ist gemeinsam, dass sie eine besondere Nähe
Gottes und umfassendes Heil zum Ausdruck bringen. Das Bild vom
fruchtbaren Garten als schöpferischer Ursprungsort prägt
entsprechend die Erwartungen für die geheilte Zukunft. Das Paradies
als Symbol für die reine Seele, sowie für ein Leben in Gebet und
Kontemplation. Das Paradies auf Erden: die Berufung des Menschen als
Mitarbeiter Gottes.
Ikonographie:
Hauptquelle der Bilddarstellungen sind die Schilderungen des
urzeitlichen Gartens Eden aus dem Schöpfungsbericht (Gen 2) und der
endzeitlichen Himmelsvision (Off 21-22). So festigte sich in der Kunst
auch das Bild des Paradieses als Gartenlandschaft neben anderen
Metaphern wie Stadt, Himmelssphären und Sternengewölbe.
Heidnisch-antike, frühchristl. Jenseitsvorstellungen: Bäume, Blumen,
Vögel, Wasser (Katakombenmalerei); Kunst des Mittelalters: die Majestät
und der himml. Hofstaat (Giotto), Gerichtsdarstellungen, das
Gartenbild in der Gegenüberstellung zur Schreckensvision Hölle; das
profane Gegenstück dazu ist der höfische „Liebesgarten“
(Botticelli)
Architektur:
Als Paradies (frz. parvis, engl. galilee) wurde der
Vorhof bzw. das Atrium vor Kirchen bezeichnet. Es war mit Mauern und Säulengang
umfriedet, besaß einen Brunnen in der Mitte, war oft mit Bäumen
bepflanzt und erinnerte so an das biblische Paradies. Das Atrium als
Zone des Friedens diente bereits im 4.Jhdt. als Asyl.
aus: Lexikon für Theologie und Kirche; begründet von Michael
Buchberger; dritte, völlig neu bearbeitete Auflage; herausgegeben von
Walter Kasper, Herder 1998
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