Mittwoch, 06. Juni 2012, 20.00 Uhr, Loretokirche
Konzert Annelie GAHL
PROGRAMM


CHOR-ORCHESTERKONZERT MINETTI QUARTETT
Hofhaimer-Tagebuch von Clara Schneider :


Ein Instrument, vier Saiten, ein Bogen, fünf Finger. Das Klangspektrum der Violine scheint begrenzt, und stellte gerade deshalb für viele Komponisten eine Herausforderung dar. Dieser Herausforderung ist es zu verdanken, dass die wunderschönsten, berührendsten und unglaublichsten Stücke für Violine geschaffen wurden. Am Mittwochabend trifft sich der harte Kern des Fesitvalpublikums in der malerischen Loretokirche in Radstadt. Die Violin-Solistin Annelie Gahl gewährt heute Einblicke in den schier unendlich großen Klangraum der Violine. Mit kurzen Anekdoten und feinen Geschichten ruft sie schöne und spannende Assoziationen hervor. Zu Giacinto Scelis‘ L’âme aillée erzählt sie, dass der Komponist sich in einer Nervenklinik selbst therapierte, in dem er am Klavier immer nur zwei Töne anschlug und anschließend dem Ausklingen der Töne und deren Schallverbreitung lauschte. Das Stück erinnert an so eine Situation. Beginnt man genauer hinzuhören, sich hineinzuhören, erfährt man eine unglaubliche Vielfalt an Tönen. Die Tonstärken liegen im weiten Spektrum von Pianissimo und Fortissimo, das Spielen von mehreren Saiten gleichzeitig schafft eine Komplexität und Mehrdimensionalität. Es entstehen Spannung und Anspannung, aber auch Bilder im Kopf, Gefühle, man glaubt, die Verzweiflung Scelis‘ zu spüren und sehnt sich nach einem Happy End. Die aufwühlenden Klänge beruhigen sich, man selbst wird ebenso ruhiger und plötzlich ist es zu Ende – ob es wirklich ein glückliches Ende war, bleibt offen.

Zu Bachs Ciaconna schreibt Brahms, dass es: „ eines der wunderbarsten, unbegreiflichsten Musikstücke“ sei. Und wahrlich scheinen Gahls Finger und der Bogen förmlich durch die Luft zu fliegen, als wäre der Heilige Geist persönlich von der Kuppel herabgestiegen und hätte mitgeholfen. Schließt man die Augen, glaubt man, es würden mehrere Bögen die vier Saiten der Violine spielen und mehr als fünf Finger am Geigenhals auf- und abtanzen. Annelie Gahl entlockt der Violine Klangkombinationen, welche man diesem kleinen Instrument nicht zugetraut hätte. Sie schöpft das Spektrum der Klangvielfalt aus, platziert jeden Ton präzise und exakt. Bei den Pianissimi hat man das Gefühl, sie würde die Saiten vielmehr streicheln als sie zu spielen. Die Akustik in der Loretokirche tut das ihre zu diesem einmaligen Klangerlebnis. Einer der Festivalbesucher merkt an, eine Geige noch nie so „gut“ wie hier gehört zu haben.

Ganz im Zeichen von Hören.im Moment ist das Publikum ungemein offen, aufgeschlossen und neugierig auf dieses neue Hörerlebnis. Es lässt sich ein auf Anderes und Ungewohntes und hört sich hinein in die Musik und in den Moment. Der Mittwochabend in der Loretokirche war zwar ein ungewöhnlicher Abend mit ungewöhnlichen Klängen, aber auch ungewöhnlich schön.